Die Mode – Georg Simmel (17.12.2015)

Georg Simmel befasst sich in seinem Auszug mit dem vielfältigen Begriff der Mode. Er beschreibt Mode, ebenso wie andere Erscheinungen unseres Kulturlebens, als eine Folge scheinbar paradoxer Kräfte. Auf der einen Seite besteht die Sehnsucht des Individuums nach dem
kollektiv-Sein, nach der Einheit sowie nach Dauer und Gleichheit. Auf der anderen Seite entwickelt sich der Wunsch nach Einzigartigkeit, nach Besonderem und nach Veränderung.
Laut Georg Simmel entsteht Mode also auch durch den Dualismus zwischen dem Bedürfnis des Zusammenschlusses einerseits sowie dem Bedürfnis der Absonderung anderseits.
Dadurch wird eine Kettenreaktion ausgelöst, die sich ständig wiederholt.
Das kann man vor allem zwischen der unteren und der oberen Schicht beobachten werden. Die untere Schicht ist stets bemüht, es der höheren Schicht gleichzutun. Diese wiederum versucht dann schnell eine neue Form der Mode zu entwickeln, um sich von der unteren Schicht abzugrenzen.
Je näher der soziale Abstand zwischen zwei Schichten ist, desto schneller wird die Mode von der unteren Schicht zu der oberen Schicht kopiert und umso schneller beginnt die Flucht der oberen Schicht in eine neue Mode.
Simmel beschreibt Mode also als ein Produkt der Klassenunterschiede. Ohne eine, in Klassen unterteilte Gesellschaft, kann Mode nicht entstehen.
Simmel betont in diesem Kontext auch die Rolle des Kapitalismus.
Der Umstand, dass bestimmte Artikel nicht zufällig Mode werden, sondern extra gestaltet und erzeugt werden müssen, um sie Mode werden zu lassen, ist für Simmel Ausdruck moderner, kapitalistischer Wirtschaft. Daher bezeichnet er Mode als Erzeugnis sozialer und psychologischer
Bedürfnisse. In nicht modernen Gesellschaften, in der eine dieser Komponenten fehlt, bleibt die Bildung von Mode aus. Beispiel: Afrikanische Buschmänner.
Des Weiteren erkennt Simmel, dass Mode beinahe völlig losgelöst von Zweckmäßigkeit entsteht.
Durch die Zufälligkeit ihrer Gestaltung entwickelt Mode ihre völlige Gleichgültigkeit gegen sachliche Normen. Dies kann auch als soziale Motivation von Mode verstanden und gewertet werden.
Absichtliches weglassen der Modernität wird von Simmel, ebenso wie das „Modisch sein“, als eine Nachahmung des sozialen Beispiels verstanden. Der „Nicht-Moderne“ vollzieht diese Nachahmung nur umgekehrt. „Der absichtlich Unmoderne nimmt genau den Inhalt wie der Modenarr auf, nur dass er ihn in eine andere Kategorie formt, jener in die der Steigerung, dieser in die der Verneinung“ (Zitat).
Bei der Verteilung der Geschlechterrollen, bezeichnet Simmel die Frau, als leichter anfällig für Mode, da sie nach dem Durchschnittlichen, dem Alltäglichen strebt und da es im Falle der Mode die
Möglichkeit gibt, sich dennoch zu individualisieren, was Frauen sonst in der männlich
dominierenden Gesellschaft versagt bleibt.
Je größer der Bildungsstand und die soziale Position der Frau in der Gesellschaft ist, desto
weniger muss sie ihren Individualisierungstrieb in der Mode verwirklichen und desto gleichgültiger wird ihre Meinung zu Mode.
Der Mann hingegen, den Simmel als „untreues Wesen„ charakterisiert, wird eher als „Modeverweigerer“ bezeichnet. Er bezeichnet Gleichgültigkeit der Mode sogar als „spezifisch männlich“, da der Mann das vielfältigere Wesen und dadurch weniger abhängig von Äußerlichkeit sei.
Literaturverzeichnis:
In Georg Simmel, Philosophische Kultur. Über das Abendteuer, die Geschlechter und die Krise der Moderne. Gesammelte Essais. Mit einem Nachwort von Jürgen Habermas, Wagenbach, Berlin 1983. S. 399-422. (Erstausgabe Wiesenheuer Potsdam 1923).

Die Mode – Georg Simmel (17.12.2015)

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